Delacher Helene

  • Geboren am: 25. August 1904 in Burgfrieden (Lienz), Österreich
  • Wohnhaft: Leisach, Hall in Tirol, Innsbruck Mitterweg 6
  • Lebenspartner: Alois Hochrainer
  • Gestorben am: 12. November 1943 in Berlin-Plötzensee hingerichtet

 

Helene Delacher besuchte in Leisach bei Lienz die Volksschule und arbeitete bis 1930 bei ihren Eltern in der Landwirtschaft in Osttirol. Anschließend war sie vier Jahre als Küchenmädchen im Krankenhaus Hall tätig. Von 1934 bis 1937 war sie arbeitslos. Ab 1941 stand sie als Aufräumerin in Diensten der Stadt Innsbruck.

Im März 1936 lernte sie den Südtiroler Alois Hochrainer kennen, mit dem sie von Dezember 1937 bis Februar 1943 in einem gemeinsamen Haushalt in Innsbruck lebte. Sie gaben einander ein „Treueversprechen“ vor der Versammlung der Zeugen Jehovas. Dies ließe sich aus der Verfolgungssituation heraus erklären, wo es vielleicht nicht möglich war, auf dem Standesamt zu erscheinen, ohne eine sofortige Verhaftung zu provozieren.

1938 trat sie nach der Beschäftigung mit der Bibel aus der katholischen Kirche aus. Im Sommer 1939 ließ sich Helene laut Anklageschrift vom 3.8.1943 als Zeugin Jehovas taufen. (Vgl. auch Anklageschrift vom 117.8.1940, S. 8) Helene litt an Schwerhörigkeit. Da man sehr laut sprechen musste, war sie bei den geheimen Zusammenkünften der Zeugen Jehovas in den Privatwohnungen in Innsbruck nur selten anwesend.

13. 6. 1940 bis 11. 2. 1941, Gefängnis Innsbruck
14. 6. 1943 bis August 1943, Gefängnis Innsbruck,
bis 12.11.1943 Zuchthaus Berlin – Plötzensee

Erste Verhaftung

Helene und Alois wurden mit 10 weiteren Zeugen Jehovas aus Innsbruck am 13.6.1940 verhaftet und angeklagt „zwischen Herbst 1938 und April 1940 teils in Innsbruck, teils in Schwaz an einer wehrfeindlichen Verbindung teilgenommen und sie unterstützt zu haben.“ (Anklageschrift vom 17.8.1940) Helene wurde zu 8 Monaten Gefängnis verurteilt und Alois zu 10 Monaten, die er zum Großteil im Strafgefängnis München Stadelheim verbüßte. Nach seiner Haft erhielt er keine Aufenthaltsgenehmigung in Österreich, und so musste er 1942 nach Südtirol zurückkehren.

 

Zweite Verhaftung

1943 lebte Alois in Sterzing (Südtirol). Er nahm eine Beschäftigung bei einem Bauern an, der ihn in der Nähe des Brennerpasses auf einer Alpe als Hirte beschäftigte. Laut Aussage des Tiroler Zeitzeugen Felix Defner schrieb Alois Helene einen Brief und bat sie um einen Besuch. Defner warnte sie noch, ja keine Literatur mitzunehmen. Sie wurde allerdings von einer Glaubensschwester dazu überredet, doch etwas mitzunehmen.
In der Anklageschrift wird folgende Version berichtet: „Ungefähr im Mai 1943 übergab ihr ein ihr unbekannter Mann je ein Stück der Wachttürme Nr. 18, 19, 20, 21 und 30 und eine handgeschriebene Abschrift einer Ausgabe. Er ersuchte sie, die Druckschriften nach ihrem Durchlesen an Alois Hochrainer weiterzugeben.“

 

Sie vereinbarte am 14.6.1943 ein Treffen mit Hochrainer bei der St. Weinberalm, in nächster Nähe der deutsch-italienischen Grenze. An ihrem ängstlichen Gehabe fiel sie allerdings den Grenzpolizisten auf und wurde auf einem Almweg von einem Grenzpolizeibeamten angehalten und zu dem Grenzpolizeiposten Brenner-Straße gebracht. Bei der Durchsuchung ihres Gepäcks wurden fünf Ausgaben des Wachtturms und eine von ihr abgeschriebene Nummer gefunden. Sie gab zu, diese Schriften gelesen und beabsichtigt zu haben, sie an ihren Verlobten weiterzugeben. Dies habe sie getan, weil sie aufgrund ihres Glaubens dazu verpflichtet gewesen sei.

In der Haftanstalt Innsbruck

Helene befand sich in der Haftanstalt in Innsbruck und wurde angeklagt, wehrfeindliche Flugschriften der IBV nach Italien geschmuggelt zu haben. Aus der Anklageschrift vom 3.8.1943 geht hervor, dass sie Hochrainer diese Schriften zum Lesen geben wollte, sie bei ihrem nächsten Treffen wieder an sich nehmen und dann verbrennen würde. Sie wusste, dass es strafbar war, Wachttürme und andere Schriftstücke der Bibelforscher weiterzuverbreiten. Sie werde aber nie und nimmer von den Bibelforschern ablassen.
Durch den Inhalt der Zeitschriften sah die Behörde eine „schwere Gefahr für das Ansehen des deutschen Volkes im Falle des Gelingens der Tat“, noch dazu weil „in diesem Grenzgebiet Nachrichten aus Deutschland mit besonderem Interesse aufgenommen und verbreitet werden.“ In der von ihr handschriftlich angefertigten Abschrift der Wachtturm Ausgabe heißt es auszugsweise: „Die Lage des Reichs werde durch Hunger, Elend und Zerfall gekennzeichnet. … Im Nazideutschland herrsche Blutdiktatur und blutiger Terror…… Im Gegensatz zu dem russischen Bauer, der wisse, dass er ein Kollektivbauer sei, wird im Reich der deutscher Bauer in dem Glauben gelassen, er sei ein freier Bauer, obwohl auch er ein Kollektivbauer sei……“

 

Urteil: Wehrkraftzersetzung

Urteil:
In der Urteilsschrift wurde festgehalten, dass Helene Delacher sehr schwerhörig wäre und den Eindruck einer geistig beschränkten Person machte. Es wurde ihr erheblich verminderte Zurechnungsfähigkeit zugebilligt. Für den Senat bestanden aber keine Zweifel daran, dass sie weder geisteskrank, noch geistesschwach in dem Sinne wäre, dass sie als unzurechnungsfähig angesehen werden müsste. Sie hatte sich in der Hauptverhandlung sachgemäß verteidigt.
Auszüge aus dem Urteil: „Der Angeklagten kam die Rolle eines Kuriers zu, der dazu beitragen sollte, diese Flugschriften nach Italien zu verbringen. … Sie hat bewußt dazu beigetragen, dass der Inhalt in dem verbündeten Italien verbreitet und dass auch dort öffentlich der Wehrwille zersetzt wird. … Sie hat es auf sich genommen, durch die Verbreitung des Inhalts das Ansehen des deutschen Volkes im Ausland schwer zu schädigen, … Nach ihren Antworten war sie sich stets bewußt, worum es ging. Sie hat sich auch klar und folgerichtig über die grundsätzlichen Lehren der I.B.V. (Internationale Bibelforscher Vereinigung) und den Schlußfolgerungen daraus ausgelassen und hierbei auch auf die Frage, ob sie bereit sei, in einer Munitionsfabrik zu arbeiten, ohne Zögern erklärt, dies abzulehnen, weil es mit ihrem Glauben im Widerspruch stünde. … Von der Todesstrafe könnte allerdings Abstand genommen werden, … Hierzu hat aber der Senat nicht nur wegen der besonderen Gefährlichkeit der Tat, sondern auch aus subjektiven Gründen Anlaß nicht gefunden. Die Angeklagte war sich, wie sie zugestanden hat, der Strafbarkeit der Tat bewußt. Wegen ihrer Zugehörigkeit zu der I.B.V., mit der sie sich wieder eingelassen hat, ist sie bereits vorbestraft. Über die Vorgänge und die Folgen war sie sich klar. Der Treuebruch und die möglichen schweren Folgen zwingen daher, sie zum Tode zu verurteilen.“
Wegen Wehrkraftzersetzung im Sinne des § 5 Abs. 2 KSSVO in Verbindung mit dem Versuch, landesverräterischer Lügenhetze, wurde Helene Delacher vom Volksgerichtshof, 6. Senat, aufgrund der Hauptverhandlung am 4. Oktober 1943 zum Tode und dauernden Verlust ihrer bürgerlichen Ehrenrechte verurteilt.

 

Abschiedsbrief aus Berlin-Plötzensee

„Man hörte von Schwester Delacher ein halbes Jahr nichts, eines Tages bekam ihr Bräutigam einen Brief.“ (Erinnerungsbericht Felix Defner)
Helene wurde am 12.11.1943 um 5 Uhr Nachmittag im Zuchthaus Berlin-Plötzensee enthauptet.

 

In ihrem Abschiedsbrief vom 12. 11. 1943 aus dem Gefängnis Berlin-Plötzensee an ihren Verlobten Alois Hochrainer schrieb sie:

Mein liebster Luis!
Endlich komme ich dazu, dir ein paar Zeilen (zu schreiben) und hoffe und wünsche dich mit diesem Brief in bester Gesundheit anzutreffen. Mein liebster Luis, aber leider keine gute Botschaft. Mein liebster Luis, muss dir leider mitteilen, dass heute abend um 5 Uhr das Urteil vollstreckt wird. Aber erschreck nicht mein Liebster. Ich werde (durch) meinen Glauben überwinden. Es hat halt so sein wollen, das (es) so kommt. Ist halt doch besser dem Herrn treu bleiben. Also mein liebster Luis, bleib mir treu für Gottes Königreich, der Herr wird dir schon auch die Kraft und Stärke geben. Also die Sachen von mir gehören dir, aber behalt alles noch ein Jahr, gelt.
Also jetzt muss ich lei glei mein Schreiben schliessen. Mit vielen herzlichsten Grüssen und Küssen von Deiner dich liebenden Lene; die Stunde kommt jetzt, der Herr mit dir mein Luis, bleibe brav dem Herrn, ich werde recht bald kommen.

Helene Delacher ist die einzige Österreicherin, die aufgrund ihrer Betätigung als Zeugin Jehovas zum Tode verurteilt und hingerichtet wurde.
Helene Delacher wurde im September 1999 auf Antragstellung der Glaubensgemeinschaft Jehovas Zeugen durch das Wiener Landesgericht rehabilitiert.

QUELLEN:
Dokumente:
Gestapoprotokolle vom 13. 6. 1940, 14. 6. 1940, 22. 7. 1940, DÖW 8024
Anklageschrift vom 17.8.1940
Anklageschrift des Oberreichsanwalts beim Volksgerichtshof vom 3. 8. 1943, DÖW 4128
Todesurteil des Volksgerichtshofes vom 4. 10. 1943, DÖW 4128
Abschiedsbrief vom 12. 11. 1943
Zeitzeugenaussagen:
Erlebnisbericht von Felix Defner aus Innsbruck aus dem Jahr 1970
Bilder:
Porträt Helene Delacher, Helene Delacher mit Alois Hochrainer
Literaturverweise:
Malle, Gerti: Jehovas Zeugen in Österreich. Die Verfolgungsgeschichte einer Minderheit in Jehovas Zeugen in Europa (Hg. Besier, Stoklosa), 2018, Seite 420-423
Schreiber, Horst: Nationalsozialismus und Faschismus in Tirol und Südtirol, Seite 172f, Innsbruck 2008
Kofler, Martin: Osttirol im Dritten Reich, 1938-1945
Maislinger, Andreas: Die Zeugen Jehovas (Ernste Bibelforscher) in: DÖW (Hrsg.), Widerstand und Verfolgung in Tirol 1934-1945, Seite 371 ff
Zeitungsartikel:
Salzburger Nachrichten, 12.11.1999, Seite 4
Kleine Zeitung-Osttirol, 3.12.1999, Seite 32
Welt der Frau, 1/2000
Osttiroler Bote, 9.12.2000
Kärntner Tageszeitung, 26. 2.2000, Seite 12
Osttiroler Bote 8.1.2018 „Die vergessene von Leisach“

Weblinks:

de.wikipedia.org/wiki/Helene_Delacher

cba.fro.at/10644 Radioprojekt „Widerstand und Verfolgung in Innsbruck“

www.eduard-wallnoefer-platz.at/biografie/Helene+Delacher/19

Verein zur Rehabilitierung und Unterstützung von Opfern der NS-Zeit - beschäftigt sich seit 1998 mit der Dokumentation und Aufarbeitung des Schicksals unschuldiger Opfer.

ZVR-ZL: 848 301 405

 

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