Warning to the generations
19. Oktober 1939 Polizeigefängnis Wien
8. Februar 1940 KZ Sachsenhausen
19. Februar 1940 bis 23. Juni 1942 KZ Neuengamme
23. Juni 1942 bis 5. Oktober 1942 KZ Arbeitsdorf Fallersleben
Oktober 1942 bis 2. Mai 1945 KZ Buchenwald
Himsel ließ sich 1932 als Bibelforscher/Zeuge Jehovas taufen. Unter der Regierung Dollfuß und Schuschnigg wurde er bereits von Polizei und Gendarmerie wegen seiner religiösen Tätigkeit verfolgt. Oft wurde die gesamte biblische Literatur beschlagnahmt. Selbst Bürgermeister waren befugt dies zu tun. Deshalb trug er die Schriften in den Rocktaschen, um kein Aufsehen zu erregen.
Er wurde am 19. Oktober 1939 direkt von der Arbeit in Wiener Neustadt von der Gestapo verhaftet und ins Polizeigefängnis Wien transportiert.
Am 8. Februar1940 wurde er von Wien über Salzburg, München, Leipzig, Berlin ins Konzentrationslager Sachsenhausen eingeliefert.
Er beschreibt die Situation, die sich ihm bot folgendermaßen: „Im Lager angekommen, wurden andere Brüder und ich, darunter auch mein leiblicher Bruder Emmerich, abwechselnd von jungen SS-Leuten mit Ochsenziemer und Stöcken geschlagen; so ca. 70 Schläge bekam ein jeder von uns. Am nächsten Tag, nachdem wir einem Block zugewiesen wurden, wurden wir wieder mit 30 bis 40 Schlägen gemartert.“
Am 19. Februar 1940 wurde er als Bibelforscher ins KZ Neuengamme bei Hamburg eingeliefert und mit dem Lila Winkel versehen. Leopold bekam die Häftlingsnummer 769.
„Wir kamen um 12 Uhr nachts im Lager an, es war ein Ziegelwerk. Bei unserer Ankunft sagte der Lagerkommandant, daß keiner von uns mehr lebend herauskommen würde. Wir waren mit anderen Häftlingen ca. 42 Zeugen. Das Interessante war, daß dieser Lagerkommandant nach drei Wochen plötzlich starb. Wohl verhungerten in drei Monaten 14 Brüder.“
Auf der Ostseeinsel Darß
Der Historiker Detlef Garbe berichtet in seinem Buch Zwischen Widerstand und Martyrium, daß Anfang 1942 aufgrund einer grassierenden Flecktyphusepidemie mehr als 1.000 Häftlinge starben, darunter auch fünf Zeugen Jehovas. „Die Zahl wäre vermutlich noch höher gewesen, wenn nicht zu jener Zeit eine größere Gruppe von Bibelforscher Häftlingen – die Angaben schwanken zwischen 30 und 48 – zum Schilfrohrschneiden auf die Ostseehalbinsel Darß abkommandiert gewesen wäre. Diese Häftlinge wurden erst nach Ablauf der Quarantäne nach Neuengamme zurückverlegt; ihre Abkommandierung und damit die Verschonung vor der Epidemie empfanden sie als eine Fügung Gottes.“
Leopold beschreibt diese Situation folgendermaßen: „Im Winter von 1941 auf ´42 wurden 45 Brüder von Neuengamme auf die Insel Darß gebracht, Schilfrohr zu schneiden. Wir kamen am 21.12.1941 dort an.
Durch Kälte, Schnee und Hunger waren wir bald so schwach, daß wir dachten, wir würden alle in dieser Hölle umkommen. Doch unser himmlischer Vater ließ dies nicht zu.
Eines Morgens konnten wir bei der Tür nicht hinaus. Ein Schneesturm wütete, wie man dies bei uns nicht kennt. Drei Tage wütete der Sturm mit solchen Schneemassen, daß Ortschaften in Schneewehen versanken. Dieser Schneesturm brachte uns Rettung, denn vier Wochen konnten wir nicht mehr Rohr schneiden und in dieser Zeit erholten wir uns wieder, so daß keiner von uns umkam. Es war Jehovas rettende Hand über uns.“
Bahnhofkommandos
Jehovas Zeugen wurden besonders für die Außenarbeit vorgezogen: sogenannte „Bahnhofskommandos“ (Entladung von Waggons im Bahnhof Bergedorf, Kuslack, Teufelsort oder Hamburg) bestanden nur aus Zeugen Jehovas. Auch für das Entladen von Schiffen an der Elbe wurden Kommandos der Zeugen Jehovas (Spottname „Himmelskomiker“) beordert.
Während der Pause trat die SS-Wache öfters mit Fragen an sie heran. An Hand der biblischen Schriften warfen sie ihnen oft harte Wahrheiten an den Kopf, aber das störte die SS-Beamten offensichtlich nicht. Denn sie kamen immer wieder und hörten sich gerne die biblischen Ausführungen der Zeugen an.
Im Juli 1942 kam Himsel zum Aufbau des Volkswagenwerkes nach Wolfsburg. Hier war der Hunger so stark, daß alle dachten, sterben zu müssen.
Arbeitseinsatz bei der Eisenwarenhandlung Glünz in Bergedorf
1942 wurde in Bergedorf von den Häftlingen für die Firma Glünz, eine große Eisenhandlung, eine große Halle gebaut. Zur Inneneinrichtung wurde ein Kommando von Zeugen Jehovas bestimmt. Diese bauten die Etagen, die Treppen, verlegten den Boden und machten Fenster und Türen für die Büros.
In diesem Kommando befand sich auch der Österreicher David Meissnitzer. „In Bergedorf bei Hamburg leisteten wir als Sträflinge Arbeit in einer Eisengroßhandlung (Glunz). Obwohl Posten aufgestellt waren, gelang es einer Glaubensschwester, uns mit Literatur zu versorgen. Ihr leiblicher Bruder, ebenfalls ein Zeuge (wir waren 5 im selben Trupp), war ebenfalls als Häftling bei uns. So bekam die Schwester vom Chef der Eisenhandlung die Erlaubnis, ihren Bruder zu besuchen, dies ohne Wissen der Wachposten. Bei dieser Gelegenheit gab sie ihm die mitgebrachte Literatur, die ihr Bruder unter uns verteilte. Ihr glaubensvoller Einsatz unter Lebensgefahr hat uns sehr geistig gestärkt." (Vgl. Garbe, Zwischen Widerstand und Verfolgung, München 1999, Seite 488
Leopold hatte sich eine Art Hobelbank eingerichtet und arbeitete an einer Tür, als ein Hauptscharführer zu ihm kam und ihn fragte, wie wohl der Krieg für Deutschland ausgehen würde. „Ich bin kein Wahrsager,“ antwortete Leopold. „Das weiß ich wohl, aber ich möchte wissen, was die Bibel darüber sage.“ „Ja, wenn sie an Hand der Bibel etwas wissen wollen, bin ich gern bereit, Ihnen darüber Aufschluß zu geben.“
Leopold fragte ihn, ob er glaube, daß Zeugen Jehovas Verbrecher seien, da sie im KZ schlechter als alle anderen Häftlinge behandelt werden. Innerhalb von drei Monaten sind 14 Zeugen verhungert, nur weil sie um ihres Glaubens willen verfolgt werden.
Der Hauptscharführer sagte, daß er dies alles wüßte, darum komme er ja auch zu ihm und wolle wissen, was die Bibel dazu sagt. Leopold erklärte ihm, daß die Botschaft, die Zeugen Jehovas verkündigen, die allerbeste Botschaft für die Menschheit sei. Daß die Prediger dieser Botschaft gerade in Deutschland durch Hitler so schwer verfolgt werden. Dadurch hat sich Deutschland an die Spitze der satanischen Organisation gestellt und aus diesem Grund wird auch Deutschland als erster zum Sturz kommen. Leopold wies darauf hin, daß Hitler am 7. Oktober 1934 tausende Briefe und Telegramme mit folgendem Inhalt erhalten hatte; „Hören sie auf, Jehovas Zeugen in Deutschland zu verfolgen. Sonst wird Jehova Gott sie und ihre Partei vernichten!
„Also wie sie selbst sehen, hat Hitler die Verfolgung der Zeugen nicht aufgegeben, also bleibt nur die Vernichtung,“ sagte Leopold darauf. Der Hauptscharführer war sehr bedrückt und sagte darauf: „Nun dann wäre es das Beste, sich vorher selbst zu richten.“ „Das ist nicht notwendig,“ antwortete Leopold. „Sie müßten nur etwas anderes tun. Sie brauchen nur die Uniform gegen meine Zebra-Kleidung tauschen, das heißt auch ein Zeuge Jehovas werden, dann wäre alles in bester Ordnung.“
Er sagte nichts mehr und ging langsam die Treppen hinunter.
Im Oktober 1942 kam Leopold nach Buchenwald.
Er berichtet: „Hier war ich dem Tode nahe. Durch das viele Hungern verlor ich alle Zähne, bekam Gelenksentzündung, brachte nicht einmal die Hand zum Mund, konnte nahezu vierzehn Tage nichts essen. Doch es ging auch dieses vorüber.“
Im August ´44 wurde das Lager bombardiert. Es gab viele Tausende Tote, aber von den hunderten Zeugen Jehovas, die im Lager waren, starben nur einige.
Ein Hauptscharführer der SS wollte Leopold ans Leben. Doch auch dieser Anschlag gelang nicht.
Am 2. Mai 1945 wurde das KZ Buchenwald durch die „US-Army“ befreit.
Nachkriegszeit
All diese Erlebnisse konnten Leopolds Glauben nicht erschüttern, denn er sagte zum Abschluß in einem Interview: „Vieles andere wäre über solche Anschläge zu sagen, aber die Hand unseres himmlischen Vaters war immer schützend über uns.“
Im Oktober 1945 war er wieder in Tulln wohnhaft.
Leopold heiratete am 18. Mai 1948 die Wienerin Josefine Resch, die im KZ Ravensbrück als Zeugin Jehovas inhaftiert war, und lebte bis zu seinem Tod in Wien. Sohn Walter wird 1947 geboren.
Quellen:
Erinnerungsbericht von Leopold Himsel aus dem Jahr 1970 Abschrift einer Tonaufnahme eines Interviews von Leopold Himsel und Leopold Linsbauer
Zentraleuropäisches Geschichtsarchiv:
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