Streyczek Agnes, geb. Weymola

  • geboren am: 15. Jänner 1890 in Austerlitz, Tschechische Republik
  • weitere Nachnamen: Gänger (1. Ehe)
  • Wohnort: Mariazellerstraße 39, St. Pölten, Niederösterreich, Österreich
  • verheiratet mit: Streyczek Anton
  • vestorben: 10. Dezember 1963

 

Haft:

12.06.1940 bis 27.07.1940 St. Pölten, Polizei

27.07.1940 bis 10.10.1940 Gericht St. Pölten

10.10.1940 bis 07.12.1940 St. Pölten, Polizei

21.12.1940 bis 23.03.1943 KZ Ravensbrück, Häftlings-Nr. 5283

24.03.1943 bis 18.01.1945 Auschwitz-Birkenau

23.01.1045 bis 30.04.1945 Ravensbrück, Häftlings-Nr. 102286

Datum der Befreiung: 30.04.1945

21.12.1940 KZ Ravensbrück Hftl. Nr. 5283/2783


Agnes dürfte sich schon einige Zeit vor 1939 mit der biblischen Lehre beschäftigt haben. Sie war eine glaubensstarke Persönlichkeit. Am 28.08.1956 beschrieb sie rückblickend ihre Einstellung zu der Zeit, da ihr Mann verhaftet werden sollte: „Ich war aber völlig überzeugt, dass unser himmlischer Vater, für jene, die ihm treu bleiben, immer aufkommt. Als ich ihm (Anton – Anm.) diese meine Überzeugung zur Kenntnis gebracht hatte, sah ich zum ersten Mal Tränen in seine Augen, wobei er bemerkte: ‚Jetzt weiß ich alles, jetzt bin ich glücklich, jetzt mag kommen was will.‘“


Bezieht Stellung


Viel Zeit für die Trauer über den Tod ihres geliebten Mannes blieb nicht. Am 12.06.1940 bekam Agnes Streyczek unerwarteten Besuch. Zwei Gestapobeamte erwiesen ihr die Ehre und erkundigten sich freundlich nach ihrer Gesinnung – ohne zu vergessen folgendes hinzuzufügen. „Wenn Sie denselben Glauben haben, dann geschieht Ihnen so, wie ihrem Mann.“ Ohne zu zögern und sich der Folgen bewusst, bejahte sie dies. Daraufhin führten die Beamten Agnes Streyczek in das
Bezirksgefängnis nach St. Pölten. Dort verbrachte sie die nächsten sechs Monate ehe sie am 21.12.1940 in das Frauenkonzentrationslager nach Ravensbrück überführt wurde.

Später kam Agnes mit dem ersten Frauentransport nach Auschwitz. Als Häftling arbeitete sie bei den verschiedenen Ärzten, auch bei „Apothekern“. Sie schrieb:

Im Frauenkonzentrationslager Ravensbrück

„Einer der letzteren, (Ärzte, Anm.) namens Kroemer (wahrscheinlich ist Dr. Paul Kremer gemeint außerordentlicher Professor an der Universität Münster, der ab 1942 nach Auschwitz abkommandiert wurde, um dort seine skrupellosen und perversen Forschungen an menschlichen Körpern durchzuführen, Anm.) zog mich eines Tages beiseite und bemerkte: ‚Ihre Hände sind wert vergoldet zu werden. Wenn Sie dieses Schriftstück unterschreiben, sende ich Sie sofort von hier weg nach
Hause zu meiner Frau, wo sie als Glied der Familie aufgenommen sein werden.‘

Als ich dieses Schriftstück durchlas, stellte ich fest, was von mir verlangt wurde, nämlich mich vom christlichen Glauben loszusagen, und die Bibel als Irrlehren enthaltend künftig unbeachtet zu lassen. Hierauf erklärte ich ihm, dass ich so etwas nie unterschreiben würde, da ich erkannt hatte, dass die Bibel Gottes inspiriertes Wort wäre. Er meinte, ich hätte eine Woche Zeit, um zu überlegen; würde ich mich negativ entscheiden, so würde ich vergast werden. Die darauffolgenden Tage wurde ich zusammen mit 80 Glaubensschwestern und 20 Jüdinnen neben einigen politischen Häftlingen in eine Badehalle gebracht.

Nachdem wir uns auf Befehl unserer Kleidung entledigt hatten, marschierten verschiedene Lagerführer herein, wahrscheinlich in der Annahme, Jehovas Zeugen würden nun angesichts des Todes das oben erwähnte Schriftstück unterzeichnen. Aber, Gott sei Dank, keine einzige von uns unterschrieb. Hernach ließ man für volle sechs Stunden abwechslungsweise eiskaltes und wieder heißes Wasser auf uns niederrinnen. Hernach trat ein SS-Mann herein und befahl: Bibelforscher alle heraus und an die Arbeit gehen!‘ Natürlich waren wir alle froh, lebend aus der Badehalle herauszukommen um dem Herrn weiter treu zu dienen. Apotheker Kroemer meinte, ob uns bei dieser Behandlung nicht die Angst gepeinigt habe, worauf ich ihm klar machte, dass Jehova im Falle einer Vergasung uns auch die Kraft gegeben hätte dies zu ertragen.“


Diese Situation gewährt einen kleinen Einblick in das Innere von Agnes. Ihr Glaubensgebäude überragte die geschwächte und gepeinigte Körperhülle in allen Situationen des KZ-Daseins und nicht nur für den Apotheker Kroemer muss ihr Glaube unübersehbar gewesen sein.
Was immer die Gefangenen mit dem Lila Winkel taten, stets hatten sie die Verherrlichung des höchsten Souveräns im Universum im Sinn. Das brachte ihnen Anerkennung und Respekt sein.

Agnes erinnerte sich einmal:
„Gelegentlich erhielten Lagerbeamte den Besuch ihrer Frauen. Eine derselben wunderte sich, warum ihr Mann sein Geld, sowie Schmuck und andere Wertgegenstände vor den diensttuenden Häftlingen nicht versperrte. Ihr Mann erklärte ihr den Grund hiefür, in dem er darauf hinwies, dass Jehovas
Zeugen, ‚die ehrlichsten Menschen‘ wären und seit ihrer Anwesenheit bei ihm noch nie etwas gefehlt habe. Am anderen Morgen erzählte jene Frau mir, wie dieser Lagerbeamte über die Zeugen Jehovas dachte, und ich hatte dadurch auch Gelegenheit ihr über Gottes Vorhaben zu erzählen.“

Agnes erzählt weiter über die Situation im Lager:
Im Sommer 1942 befanden sich, aufgeteilt in 3 Baracken, 600 Zeugen Jehovas im Lager Ravensbrück in Haft. Die Brüder fühlten sich ziemlich bedrückt ob der knappen Nahrung und der schlechten Behandlung. So beschlossen wir alle, an einem bestimmten Abend, um 20.00 Uhr zu Jehova zu beten, jeder allein. Am anderen Tag hörten wir, dass in sämtlichen Bracken- -insgesamt 22 – die Kinderlähmung ausgebrochen wäre, außer in den 3 Baracken der Brüder. Eines Tages ist die Oberaufseherin Zimmel gekommen nachzusehen, ob wir wirklich alles gesund sind und sagte zu uns:


‚Ihr werdet euch sicher einbilden, dass euch euer Jehova geholfen hat, was?‘ Obwohl uns dieser Umstand sonderbar berührte, nahmen wir an, dass wir den Schutz Jehovas darin verspüren durften, was unseren bedrückten Geist wiederum einen Aufschwung gab!“

Trotz ihrer Glaubensstärke war Agnes Streyczek ein demütiger Mensch. Sie harrte treu aus und verstarb am 10.12.1963 in der Hoffnung, dass sie mit Anton den Dienst für ihren Schöpfer in der „neuen Welt“ werde fortsetzen können. Wie oft wird sie an die letzten Worte ihres Mannes gedacht haben, der schrieb:
„Möge Euch alle unser Allmächtiger Gott beschützen. Seid glücklich und zufrieden solange Ihr beisammen seid. Lebt wohl auf Wiedersehen in Gottes Reich!“


Quelle: Für den Glauben in Haft Zeugen Jehovas im KL Auschwitz ISBN: 83-60210-23-3 Seite 63

 

 

 

 

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