Karl Thaller

  • Geboren: 27. Jänner 1882 in Pernersdorf/Hollabrunn
  • Vater: Florian Thaller (Oberlehrer in Hollabrunn)
  • Mutter: Ernestine Scherzer
  • Wohnort: Tulln, Königstetterstr. 7/4
  • Verheiratet mit: Maria Hasenzagl (1891-1936) am 5. Februar 1917 in Tulln
  • Kinder: Helene Maria (1921-1968, Johann)
  • Kirchenaustritt: 1933
  • Beruf: Müllnergehilfe, Gemeindearbeiter
  • Verstorben: 22. April 1943 in Langenlebarn aufgrund der Haftfolgen

 

Karl THALLER wurde am 27. Jänner 1882 in Pernersdorf (Bez. Hollabrunn) , als zwölftes Kind eines Oberlehrers geboren. Er wohnte in Tulln, Königstetterstraße 7/4, war gelernter Kellner und Müller, Sanitäter im Ersten Weltkrieg, Hilfsarbeiter und ab 1927 Arbeiter bei der Gemeinde Tulln. Er heiratete 1917 Maria Hasenzagl in Tulln.

Er wurde im Jahre 1933 ein Zeuge Jehovas und beteiligte sich auch an der Verbreitung von religiöser Literatur und hielt Vorträge über die Bibel im Raum Tulln.

1936 verstarb seine Frau Maria und deren Begräbnis fand in der St. Pöltner Zeitung eine Erwähnung.

Er wurde am 18. Oktober 1939 von Beamten der Gestapo, Staatspolizeileitstelle Wien "beamtshandelt", jedoch im Gegensatz zu den anderen Tullner Zeugen Jehovas nicht festgenommen, da er eine Erklärung unterzeichnete, daß er bei einer Betätigung für die Bibelforscher mit entsprechenden staatspolizeilichen Maßnahmen zu rechnen habe.“

Am 27. Juni 1940 wurde Karl THALLER ein an das Polizeiamt Tulln gerichtetes Telegramm des Gerichtes der 174. Division in Chemnitz ausgehändigt, in dem ihm mitgeteilt wurde, daß an seinem Sohn Johann THALLER die durch Urteil vom 31. Mai 1940 ausgesprochene Todesstrafe nach der Urteilsbestätigung und der Ablehnung seines Gnadengesuches am Morgen des 27. Juni 1940 vollstreckt worden sei.

Am 5. September 1940 teilte der Gendarmerieposten Tulln der Gestapo, Staatspolizeileitstelle Wien, mit, dass ihm durch die Ortsgruppe der NSDAP zur Kenntnis gekommen sei, dass Karl THALLER "neuerdings gegenüber anderen Volksgenossen derart auffällig wurde, daß seine Einstellung als Bibelforscher klar zum Ausdrucke kommt”". Gleichzeitig übersandte er Niederschriften der Zeugenaussagen von Franz KWERKA, Anton HERZOG und Helene und Leopoldine HEIDENREICH und bat um weitere Weisung. Am 17. September 1940 trat die Staatspolizeileitstelle Wien den Fall der Stapo-Außenstelle St. Pölten ab, mit der Bitte "entsprechende Massnahmen zu ergreifen, und Thaller dem zuständigen Gerichte einzuliefern", und über die getroffenen Maßnahmen zu berichten.

Am 28. Oktober 1940 wurde THALLER verhaftet und kam in Untersuchungshaft im Landgerichtsgefängnis St. Pölten, erst am 18. November 1940 erging gegen ihn ein Haftbefehl. In der Sitzung des Landgerichtes St. Pölten als Sondergericht am 5. April 1941 wurde THALLER wegen Vergehens nach 8 2, Abs. 2 Heimtückegesetz zu einem Jahr und sechs Monaten Gefängnis (die über fünfmonatige Verwahrungs- und Untersuchungshaft wurde eingerechnet) verurteilt.

In der Urteilsbegründung wurde jenes Gespräch zitiert, das Anlaß der Anzeige durch die NSDAP-Ortsgruppe Tulln an die Gestapo gewesen war: „Am 23./ u. 24./ 8. 1940 arbeitete der Angeklagte in der Oberschule in Tulln und kam dabei mit den Malergehilfen Franz Kwerka und Anton Herzog, beide aus Tulln, zusammen. Im Laufe des Gespräches äusserte der Angeklagte: 'Es gibt zu wenig zum Essen. Wir werden nicht lange aushalten. Es sind so viele Gefangene hier, das Militär bekommt alles, und Russland liefert uns nichts, weil wir die Pfaffen haben, die noch mitreden dürfen.' Kwerka hielt dem Angeklagten vor, wir hätten genug Vorräte und würden von Russland beliefert werden. Der Angeklagte entgegnete ihm: 'Glaubt doch das nicht was in den Zeitungen steht, das steht nur auf dem Papier.' Am 24./ 8. 1940 fand dann ein erneutes Gespräch zwischen dem Angeklagten und den beiden Malergehilfen statt. Der Angeklagte fing von 'verschiedenen Göttern' zu reden an, worauf ihm Kwerka erklärte, in diesen Sachen kenne er sich nicht aus, denn für ihn sei Hitler ein Gott. Darauf sagte der Angeklagte: 'Ja, Arbeit haben wir jetzt, aber zum Essen nichts. Die Leute verhungern, man kann von dem, was man auf die Lebensmittelkarten bekommt, nicht leben.' Kwerka erwiderte, es sei bis jetzt noch niemand verhungert. Der Angeklagte wollte dies aber nicht wahr haben und bemerkte: 'In Meidling und Favoriten sind Leute vor Hunger umgefallen, was ich selbst gesehen habe. Hitler hat die höchste Stufe erreicht. Ich war selbst als Rote-Kreuz-Soldat im Krieg. Es tun einem die Soldaten leid, die jetzt so kämpfen müssen.' Der Angeklagte war dabei nie in Meidling und Favoriten gewesen. Franz Kwerka wies nun den Angeklagten daraufhin [sic!], dass die Engländer jetzt sogar dazu übergehen, die deutschen Seenotflugzeuge zu beschiessen. Aber auch hierfür hatte der Angeklagte eine Erklärung und äusserte: 'Das machen die Engländer nur, damit uns einmal die Augen aufgehen, mit euch kann man ja nicht reden, habt's ja die Augen mit Dreck verpickt. Der Staat muß zugrunde gehen, der hält das nicht aus. Bei uns sind 80 % Proletarier, von Urbanitsch [wahrscheinlich der Tullner städtische Sachverwalter Fritz URBANITSCH; Anm. d. Verf.] angefangen bis zur Bezirkshauptmannschaft. Die sitzen drinn [sic!], und wir können arbeiten. Auch der Kommunismus und der Nationalsozialismus bekämpfen sich heute mehr denn je. Dieses Jahr haben wir keine Ernten, wo man schaut, alles ist überschwemmt. Die Rumänen haben auch nicht viel, sie brauchen selbst alles. Russland hätte, gibt aber nichts her.'"

THALLER gab in seiner Aussage zu erkennen, dass seine damaligen Äußerungen wahr seien und dass er nach wie vor zu ihnen stehe. Das Gericht kam zum Schluss: "Die Äußerungen des Angeklagten waren gehässiger, hetzerischer Natur und ihrer ganzen Tendenz nach über den vom Führer angeordneten Kampf des deutschen Volkes gemacht. Sie richteten sich auch gegen die damit in Zusammenhang ergangenen Ernährungsmaßnahmen und über die Außen- und Handelspolitik der Reichsregierung. Die gemachten Äußerungen waren ohne weiteres geeignet, das Vertrauen des Volkes zur politischen Führung zu untergraben. Der Angeklagte machte die Äußerungen aus seiner religiösen Einstellung heraus auch in klarer Erkenntnis der Tragweite und verfolgte damit den Zweck, über die Staatsführung und ihre Anordnungen zu hetzen, und sich über sie gehässig zu äußern." Erschwerend wurde bei der Strafzumessung berücksichtigt, daß die Tat "außergewöhnlich niedrig und verächtlich" war, und dass sich der Angeklagte als "unbelehrbarer Staatsfeind" zeigte, vor einer höheren Strafe bewahrte ihn lediglich sein Alter von 59 Jahren.“

Karl THALLER war laut den Opferfürsorge-Unterlagen bis 29. April 1942 in St. Pölten inhaftiert und wurde anschließend der Gestapo überstellt. Er verstarb aus noch nicht geklärten Umständen am 22. April 1943 in Langenlebarn.

Er wurde am 21.April 2008 rehabilitiert.

 

Quellen:

Mitterutzner, Christina: Widerstand u. Verfolgung in NÖ 1934-1945, Bd. 3, 1987, S. 286,287,693

DÖW (Dokumentationsarchiv des österr. Widerstandes): 13671 (SHV 8405/47), 5732c, 5733c, 1867

Diplomarbeit von Helfer Christoph, Das nationalsozialistische Tulln, S.807

 

 

 

Verein zur Rehabilitierung und Unterstützung von Opfern der NS-Zeit - beschäftigt sich seit 1998 mit der Dokumentation und Aufarbeitung des Schicksals unschuldiger Opfer.

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