Warning to the generations
Alois Wagner wurde am 7. Juni 1907 in Eidexberg/St. Ruprechta.d. Raab, Lohngraben 43, in der Steiermark geboren. Er wuchs in Petersdorf auf und besuchte die Schule in St. Marein oder St. Ruprecht. Ob er Geschwister hatte, ist nicht bekannt. Alois arbeitete als Sägemeister in Fladnitz bei St. Ruprecht.
Am 5.11.1933 heiratete er in St. Marein/Graz Maria Absenger aus Petersdorf. Sie bekamen 2 Kinder, Alois und Hilda. Die Familie wohnte dann in St. Ruprecht a.d. Raab, in der Breiteggerstraße 54.
Alois trat mit 30.9.1939 aus der katholischen Kirche aus und schloss sich im selben Jahr den Zeugen Jehovas an. Wahrscheinlich kam er durch seinen Vater, Franz Wagner, der bereits 1937 verschiedene Bücher der Bibelforscher entgegengenommen hatte, mit dieser Gemeinschaft in Kontakt. Auch seine Schwiegereltern, Familie Absenger, und seine Frau Maria wurden Zeugen Jehovas.
Eine nicht unwesentliche Rolle dürfte der in Graz wohnende Zeuge Jehovas Rupert Heider gespielt haben. Rupert Heider, der auch mit drei Familien (Resch, Hold, Schwarz) aus der Gegend rund um St. Marein bei Graz Kontakt hatte, kümmerte sich in religiöser Hinsicht auch um Familie Absenger und Familie Wagner. Es ist bekannt, dass er im Jahr 1939 die Eltern von Maria Wagner taufte, daher ist es anzunehmen, dass auch Alois und seine Frau von ihm getauft wurden.
1940 war ein Schicksalsjahr für die fast gleich alten wehrpflichtigen Männer. Beide verweigerten aufgrund ihres religiösen Gewissens den Militärdienst.
Alois Wagner wurde in St. Ruprecht, als er gerade aus einem Geschäft in der Unteren Hauptstraße Nr. 24 (Ort der Verlegung des Stolpersteines 2023), herauskam, verhaftet.
Einen Tag vor Rupert Heiders Hinrichtung wurde Alois Wagner am 14.6.1940 dem Gericht der 188. Division, Zweigstelle Graz übergeben und am 23.8.1940 wegen Wehrdienstverweigerung angeklagt. Er wurde nach Berlin überstellt und am 18.9.1940 vom Reichskriegsgericht zum Tode verurteilt. Die Enthauptung erfolgte einen Monat später am 17.10.1940 im Zuchthaus Brandenburg. Er wurde nur 33 Jahre alt.
Aus der Haft schrieb Alois Wagner Briefe an seine Frau Maria, liebevoll Mitzi genannt, und an seine beiden Kinder, die erst 4 und 3 Jahre alt waren. Zwei Briefe davon sind noch erhalten.
Er teilte ihr am 22. September, das war vier Tage nach seiner Verurteilung, mit, dass er zum Tode verurteilt worden war. Er bedankte sich für den Brief, der auch Fotos enthalten hat. Der Brief ist sehr positiv formuliert. Immer wieder betonte er, wie gefasst er sei und den Tod nicht fürchte, denn als Nachfolger Jesus Christus müsse man mit Verfolgung rechnen. Mit Zitaten aus der Bibel ermutigte er seine Frau standhaft zu bleiben und fest auf ihren Gott Jehova und die Versprechen der Bibel zu vertrauen. Sie sollte auch nicht auf die Menschen zornig sein, die ihr Leid verursacht haben. Er erinnerte sie immer wieder an das baldige Wiedersehen, was seinen starken Glauben an die Auferstehung anzeigt.
Am 16. Oktober wurde er von Berlin Moabit in die Hinrichtungsstätte Brandenburg überstellt. Seinen letzten Brief schrieb er in der Nacht auf den 17. Oktober. Er bedankt sich für die beiden letzten Briefe, die er Anfang Oktober von seiner Frau erhalten hatte. Er teilte ihr mit, dass er um 5:30 Uhr hingerichtet werden würde. Auch darin betont er seine starke Überzeugung richtig gehandelt zu haben und ermuntert seine Frau ebenfalls durchzuhalten.
Brief vom 22.9.1940 aus Berlin (auszugsweise):
„Meine liebe Frau und Kinder!
Vor allem seid ihr im Namen des Herrn auf das herzlichste gegrüßt und geküßt. Nun meine Lieben, wie geht es Euch? Hoffentlich seid Ihr alle gesund und wohlauf, was ich Euch von Herzen wünsche. Ich habe die Foto am 18. und den Brief mit größter Freude und mit besten Dank erhalten. Wegen dem Arbeitsbuch – das kommt bei mir nicht mehr in Frage.
Liebe Gattin und Kinder, ich gebe Euch bekannt, daß ich am 18. September meine Hauptverhandung gehabt habe und das Urteil lautet zum Tode! Teile Euch auch mit, daß ich sonst immer gesund, wohlauf und guten Mutes bin und freue mich auch teilhaben zu dürfen an den Verfolgungen und Leiden, die unser Herr und Meister Jesus Christus erlitten hat. Denn es steht geschrieben, daß alle die gottselig leben wollen in Christo Jesu Verfolgung erleiden müssen. ……..“
Brief vom 16. und 17. 10. 1940 aus Brandenburg (auszugsweise):
„Meine liebe Frau und Kinder!
………. Liebe Gattin, ich gebe Dir bekannt, dass ich heute, den 16. Okt. nach Brandenburg überführt worden bin. Und ich bin glücklich beim Tische des letzten Abendmahls. Morgen früh um 5h 30 werde ich den Weg um unseres Herrn Willen antreten. Und der Herr wird mich glücklich und wohlauf zu sich nehmen.
Liebe Gattin, sei nicht betrübt darüber, und mache Dir nichts daraus, es wird nicht mehr lange dauern, werden wir beisammen sein. Die Stunde ist ja da, wo Ihr vom Schlafe Euch erheben sollt. Denn jetzt ist unser Heil näher, als da wir gläubig wurden. Die Nacht ist vorgeschritten und der Tag hat sich genaht. Laßt uns also ablegen die Werke der Finsternis; und anlegen die Waffen des Lichts. Ich schäme mich des Evangeliums nicht – Es ist ja Gottes Kraft zum Heil für jeden, der glaubt für den Christen zuerst und auch für den Heiligen. In ihm wird offenbar die Rechtfertigung durch Gott, die aus dem Glauben stammt und zum Glauben führt, wie geschrieben steht. Der Gerechte lebt aus dem Glauben.
Nun liebe Gattin, sei immer fromm und stark und eine gute Mutter zu den lieben Kindern, denn unser Herr und Meister wird alles leisten. So soll die Gnade herrschen, durch Gerechtigkeit zum ewigen Leben durch Jesus Christus unserem Herrn.
Jetzt schließe ich mein Schreiben mit vielen herzlichen Grüßen und Küssen an Euch alle meine Lieben! Und auch an meine Bekannten und Verwandten.
Es grüßt Dich Dein treuer Gatte und Vater
Lebet Wohl!“
(auf eine Korrektur der Rechtschreibung in den Briefen wurde verzichtet)
Zum Zeitpunkt der Hinrichtung von Alois Wagner waren die beiden Kinder, Alois und Hilda, vier und drei Jahre alt. Sie wurden der Mutter drei Jahre später weggenommen und wurden zu einem Bauern gebracht. Später erhielt sie die Kinder wieder.
Hilda erzählte 2001: “Ich wurde als 6-Jährige meiner Mutter weggenommen und zusammen mit meinem Bruder nach Pircha gebracht auf einen Bauernhof. Dort wurden wir sehr schlecht behandelt, mussten schwer arbeiten (z.B. Rüben hacken). Der Vater ist uns schon sehr abgegangen. Das ganze Leben war das eine Belastung. Kriegsberichte oder Dokumentationen kann ich mir nicht anschauen. Das Thema wurde verdrängt.”
Sohn Alois berichtete, dass sie nach der Verhaftung des Vaters in ganz einfachen Verhältnissen leben mussten. Über seine Zeit am Bauernhof sagte er: “Ich wurde immer schlechter behandelt, als meine Schwester. Oft wurde ich geschlagen und getreten. Jahrzehntelang habe ich nicht darüber gesprochen. Der Vater ist mir immer abgegangen.”
Maria Wagner blieb bis zu ihrem Tod in den 1970er Jahren Zeugin Jehovas und heiratete nie wieder.
Auf die Rehabilitierung musste man lange warten. Am 14. November 2005 wurde Alois Wagner rehabilitiert. Das Landesgericht für Strafsachen Wien teilte mit, dass das Todesurteil von Alois Wagner über Antrag der Staatsanwaltschaft Wien aufgehoben wurde.
Das Leid, welches seiner Frau und seinen zwei kleinen Kindern widerfuhr kann durch die Rehabilitierung nicht weggewischt werden, aber es ist ein wertvolles Zeichen, damit solches Unrecht nie mehr geschehen möge.
GEDENKPROJEKT 72/17
von Harald Schober
Gleisdorf: | In Verbindung mit dem Gedenkprojekt 72/17 - 72 Jahre nach den Todesmärschen in der Oststeiermark wurde am 20. April 2017 erstmals in Gleisdorf der sehr beeindruckende Film von Michael Gernot Sumper der Öffentlichkeit vorgestellt.
In diesem spannenden Dokumentarfilm kommen 20 Zeitzeugen aus Etzersdorf, Rollsdorf, Unterfladnitz und St. Ruprecht zu Wort. Der Film entstand im Jahr 2016.
Maria Wurm, die inzwischen leider verstorben ist, erwähnt in ihren Erzählungen Alois Wagner aus St. Ruprecht, der im Gegensatz zu den meisten damals Lebenden sich nicht von Hitlers Regime missbrauchen ließ.
Was ist über Alois Wagner bekannt?
Am 22. August 2013 recherchierten Mitarbeiter vom Verein Lila Winkel in St. Ruprecht an der Raab über Alois Wagner, der bis zu seiner Verhaftung während des NS-Regimes in diesem oststeirischen Ort wohnte.
Ein junger St. Ruprechter sagte zu einer Mitarbeiterin vom Lila Winkel: „Bald werden die letzten Zeitzeugen gestorben sein. Es wäre schade, wenn sich niemand mehr an den Mut dieses Mannes erinnern würde.“
Am 17. Oktober 1940 wurde um 5.40 Uhr in Berlin-Brandenburg Alois Wagner aus St. Ruprecht/Raab hingerichtet. Warum starb der 33-jährige Familienvater?
Durch sein Studium der Bibel hatte er kennengelernt, dass Jesus Christus das Töten eindeutig verboten hat. Er war daher nicht bereit, im verlustreichsten Krieg der Menschheitsgeschichte, zu den Waffen zu greifen. Er liebte seine Frau und seine zwei kleinen Kinder, Hilde und Alois. Er konnte aber nicht, wie aus seinen Abschiedsbriefen hervorgeht, gegen sein christlich geschultes Gewissen handeln.
Der Grazer Historiker Mag. Heimo Halbrainer schreibt in seinem Buch: „In der Gewißheit, dass Ihr den Kampf weiterführen werdet“ über Zeugen Jehovas: „Sie verweigerten den Hitlergruß, da es ihnen unmöglich war, einem Menschen das nach biblischem Verständnis allein Gott vorbehaltene „Heil“ zuzusprechen. Sie unterließen deshalb auch Ehrenbezeugungen gegenüber der Fahne, verweigerten den Militärdienst sowie die Tätigkeit in Rüstungsbetrieben, was vor allem kriegsdienstverpflichtete Frauen taten.“
Warum sollte uns das interessieren, was vor über 80 Jahren geschah? Der amerikanische Philosoph George Santayana schrieb: „Wenn man sich nicht an die Vergangenheit erinnern kann, ist man verurteilt, sie zu wiederholen.“
Viele Bewohner von St. Ruprecht fragen zu recht: „Wann wird es endlich ein Erinnern an Alois Wagner, diesen Helden des Friedens, geben?“
Am 8. Mai 2023 wurde nach jahrelangen Bemühungen ein STOLPERSTEIN für Alois Wagner in St. Ruprecht a.d. Raab, Untere Hauptstraße 24, verlegt. Eine würdige Erinnerung an einen Mann mit Glauben und Mut.
Quellen:
Taufbuch XII 1899 – 1914 – St. Ruprecht an der Raab
matriken.graz-seckau.at/flashbook
Eltern: Trauungsbuch VIII 1891 – 1908 – St. Ruprecht an der Raab
matriken.graz-seckau.at/flashbook
Vater: Taufbuch XVIII 1866 – 1877 – Weiz
matriken.graz-seckau.at/flashbook
Benachrichtigung des Oberreichskriegsanwalts Berlin vom 18.10.1940 über Urteilsvollstreckung
Sterbeurkunde
Suchkarte des Wehrmeldeamtes
Buch der Urteile des Reichskriegsgerichts
Diverse Dokumente von Arolsen
Briefe
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